The Power of the Dog Schön, ohne kitschig zu sein

Kultur

„The Power of the Dog“ handelt von zwei ungleichen Brüdern auf einer abgelegenen Ranch, deren Konflikte durch eine Frau noch verstärkt werden.

Kodi Smit-McPhee an der WonderCon 2019.
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Kodi Smit-McPhee an der WonderCon 2019. Foto: Gage Skidmore (CC BY-SA 2.0 cropped)

20. April 2022
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In schönen Bildern, dafür wenigen Worten erzählt die Romanadaption von unterdrückten Gefühlen und Männlichkeitsbildern, die zu einem Gefängnis geworden sind. Das hat nicht den Schluchzfaktor, wie ihn solche Dramen oft haben, ist aber sehr gut gespielt.

Phil (Benedict Cumberbatch) und George (Jesse Plemons) mögen Brüder sein und gemeinsam eine Ranch betreiben. Unterschiedlicher könnten sie dennoch nicht sein. Während Phil sehr naturverbunden ist und zu grausamer Härte neigt, träumt George von einem schönen, zivilisierten Leben. Eben dieses scheint er gefunden zu haben, als er eines Tages der Witwe Rose (Kirsten Dunst) begegnet. Kurze Zeit später heiratet George sie und nimmt sie mit auf die Ranch, sehr zum Missfallen von Phil, der ihr unterstellt, nur des Geldes wegen geheiratet zu haben. Von Anfang an herrscht zwischen ihnen eine angespannte Stimmung, die sich noch weiter verstärkt, als ihr Sohn Peter (Kodi Smit-McPhee) den Sommer über zu Besuch kommt. Denn der war mit seinem femininem Auftreten dem gestandenen Cowboy von Anfang an ein Dorn im Auge …

Preisverdächtig

Im letzten Quartal bringen die grossen Verleihe bekanntlich ihre künstlerischen Schwergewichte heraus, um sich für die kurze Zeit später beginnende Award Season in Stellung zu bringen. So ein Filmpreis ist schliesslich wichtig fürs Prestige und zugleich verkaufsfördernd, weshalb sich kaum einer diese Gelegenheit durch die Lappen gehen lassen will. Auch Netflix mischt bei diesem doch recht berechnenden Spiel inzwischen kräftig mit und hebt sich einige der Hochkaräter für das Ende des Jahres auf. Einer hiervon ist zweifelsfrei The Power of the Dog, allein schon weil er von Jane Campion ist. Schliesslich war die neuseeländische Regisseurin und Drehbuchautorin 1993 mit Das Piano die erste Frau, welche die Goldene Palme in Cannes gewann. Dazu gab es einen Oscar für das beste Drehbuch.

Tatsächlich drängen sich die Vergleiche zu ihrem mehrfach preisgekrönten Drama geradezu auf, wenn man sich das neueste Werk der Filmemacherin anschaut. In beiden Fällen nimmt sie uns mit in eine abgelegene Gegend, baut ein historisches Setting auf – Das Piano spielte im 19. Jahrhundert, The Power of the Dog 1925. Und sie erzählt bei ihrer Adaption des gleichnamigen Romans von Thomas Savage von komplexen zwischenmenschlichen Beziehungen, die sowohl partnerschaftlicher Natur sind, wie auch der von der Mutter zum eigenen Kind. Da geht es viel um geheime und unterdrückte Gefühle, die sich nur anderweitig ihren Weg an die Oberfläche bahnen, etwa über das Medium der Musik. Und es geht um Konflikte zwischen den Figuren, die von Anfang an vorherrschen und die sich mit der Zeit intensivieren, verbunden mit der Gefahr, dass diese irgendwann gewaltsam eskalieren.

Ein echter Mann im Dauerkampf

Der grosse Unterschied: Während Das Piano die Frauenfigur in den Mittelpunkt stellte und von ihrem Weg aus dem Gefängnis erzählte, da konzentriert sich Campion in The Power of the Dog auf die Männerfiguren. Tatsächlich ist Rose die einzige relevante Frauenfigur in dem Drama. Und selbst sie verliert mit der Zeit an Bedeutung. Gleiches gilt für deren Ehemann George, der zunächst als grosse Kontrastfigur von Phil eingeführt wird, sich anschliessend aber nach und nach von der Bildfläche entfernt. Stattdessen geht der Film auf Phil über, die komplexeste Figur der Geschichte. Und die schwierigste, für alle Beteiligten: Er kommt weder mit seinem Bruder noch mit Rose klar. Für Peter hat er anfangs nur Verachtung übrig, da dessen feminine Art nicht mit seinem eigenen Männlichkeitsbild übereinstimmt, an dem sich der Cowboy krampfhaft festhält.

Das bedeutet natürlich auch, dass nicht offen kommuniziert wird, denn das tut Mann ja nicht. Wo andere die Geschichte in ausufernde Dialoge packen würden, da lässt Campion mal wieder in erster Linie Bilder sprechen. Schlüsselszenen in The Power of the Dog, die mehr über Phil und seine inneren Kämpfe verraten, kommen ganz ohne Worte aus. Dass an dem störrischen, herablassenden und durch und durch unsympathischen Mann mehr dran ist, das wird hingegen schon früh klar, sofern man auf die entsprechenden Zeichen achtet. Der sprichwörtliche weiche Kern hinter der harten Schale. Nur kommt das hier ohne den Kitsch aus, den solche Geschichten gern mal anwenden, um das Publikum richtig schön in die Mangel zu nehmen. Das Drama, welches bei den Filmfestspielen von Venedig 2021 Weltpremiere feierte, bleibt auf Distanz, nähert sich nur vorsichtig den Figuren an, versteckt wichtige Informationen schon einmal in Nebensätzen.

Schön, ohne kitschig zu sein

Das wird dann nicht allen gefallen. Anders als Brokeback Mountain, welches oft zum Vergleich herangezogen wird, fehlt es hier an einem kathartischen Schluchzfaktor. Es fehlt auch an einer Bestätigung, dass alles irgendwann gut wird. Wobei es durchaus Momente des Glücks gibt, die zu Herzen gehen. Kurze Szenen, bei denen man den Eindruck hat, dass in der Einöde Amerikas ein Platz für die Liebe ist. Aber es bleibt ein Kampf, der mal in die eine, mal die andere Richtung geht. Das ist hervorragend gespielt, wobei die dankbarste Rolle natürlich Benedict Cumberbatch hat, aufgrund der Ambivalenz der Figur. Hinzu kommen die schönen Bilder der Gegend, welche in einem starken Kontrast zu den Ereignissen stehen, die sich vor ihnen abspielen. In The Power of the Dog wird es zuweilen richtig hässlich, zumindest aber tragisch, wenn Phil konstant sich und anderen im Weg steht und Campion gnadenlos das klassische Heldentum dekonstruiert, sehnsuchtsvollem Schnüffeln an einem Tuch inklusive.

Oliver Armknecht
film-rezensionen.de

The Power of the Dog

USA

2021

-

128 min.

Regie: Jane Campion

Drehbuch: Jane Campion

Darsteller: Benedict Cumberbatch, Kirsten Dunst, Jesse Plemons, Kodi Smit-McPhee

Produktion: Jane Campion, Iain Canning, Roger Frappier, Tanya Seghatchian, Emile Sherman

Musik: Jonny Greenwood

Kamera: Ari Wegner

Schnitt: Peter Sciberras

Dieser Artikel steht unter einer Creative Commons (CC BY-NC-SA 4.0) Lizenz.